Karfreitag: Zwischen Bitterkeit und Befreiung

„Also hat Gott die Welt geliebt…“
So beginnt die Wochenlosung aus Johannes 3,16 – und sie klingt wie ein Herzensschlag Gottes, der bis heute durch die Welt geht. Am Karfreitag schlägt dieser Herzschlag nicht lauter, aber tiefer. Er geht dahin, wo es weh tut. Wo Leben zerbricht. Wo Schuld drückt. Wo Bitterkeit herrscht.

Karfreitag – der Tag, an dem das Dunkel spricht. Aber das Licht nicht schweigt.

Dietrich Bonhoeffer, selbst ein Mensch, der durch das finstere Tal ging, bringt es auf den Punkt:

„Nur der leidende Gott kann helfen.“

Keine fromme Floskel. Kein theologischer Schlenker. Sondern Nagel auf Holz. Kreuzestheologie pur. Gott, der nicht weit weg bleibt, sondern in unsere Schmerzen hineinkommt. In unser Menschsein, in unsere Schuld, in unseren Tod.


Jesus – in der Mitte. Zwischen Spott und Sehnsucht.
Johannes 19 erzählt es schlicht, fast nüchtern: Jesus trug sein Kreuz selbst. Er wurde gekreuzigt – mit zwei anderen. „Jesus aber in der Mitte.“

Da hängt er – der Sohn Gottes – und trägt, was wir nicht tragen können. Die einen spotten, die anderen schweigen. Einer aber glaubt. Und wird im letzten Moment gerettet.

Was für ein Bild: Zwei Menschen links und rechts – einer sagt Ja, der andere Nein. Und Jesus in der Mitte. Begegnend. Bereit. Voller Gnade.


Was schmeckt dir bitter in deinem Leben?
Jesus spricht: „Mich dürstet.“ Und was bekommt er? Essig. Das Symbol für alles, was im Leben brennt, beißt, keine Linderung bringt.

Und doch: Jesus nimmt auch das. Bis zum letzten Tropfen.

Kein „Ja, aber…“
Kein „Vielleicht.“
Kein Wort zu viel.

Nur eines:

„Es ist vollbracht.“

Was für die Welt das Ende schien, wurde zum Anfang: Das Kreuz wird zur Brücke. Der Tod zum Weg. Die Schuld zum Freispruch.


Sünde trennt. Jesus verbindet.
Sünde – das ist mehr als ein moralischer Fehltritt. Es ist das Entferntsein von Gott. Und manchmal auch von uns selbst. Von der Liebe. Vom Sinn. Von der Hoffnung.

Karfreitag sagt: Diese Trennung ist überwunden. Nicht durch Strategie. Nicht durch Leistung. Sondern durch Hingabe. Durch Liebe, die blutet.

Und die Frage bleibt:

Berührt mich das noch? Betrifft es mich – heute, hier, jetzt?


Das Kreuz – eine Kreuzung zum Leben.
Jesus gibt den Auftrag vom Kreuz herab: „Siehe, das ist deine Mutter…“ – kümmert euch umeinander. Auch im Sterben denkt er an Beziehung, an Fürsorge, an das Leben.

Christsein bedeutet nicht Alleinsein. Auch wenn es sich manchmal so anfühlt. Denn da ist einer, der verbindet. Der in der Mitte steht. Dort, wo sich Himmel und Erde küssen.

Das Kreuz verbindet Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Ohne das Kreuz kein Ostern. Ohne Ostern kein Leben.


Ein letzter Blick. Ein letzter Schluck. Und dann: vollbracht.
Was bleibt?
Die Botschaft:

Der Tod des EINEN bringt das Leben für ALLE.
Die Bitterkeit hat nicht das letzte Wort – die Liebe hat es.


Karfreitag ist kein Gedenktag.
Es ist der radikale Eingriff Gottes in unsere Geschichte. Eine göttliche Störung der menschlichen Logik.

Er, der Schöpfer, stirbt.
Damit wir, die Geschöpfe, leben.

Und darum klingt sie – wie ein Ruf in die Ewigkeit hinein:

„Also hat Gott die Welt geliebt…“

Und dieser Satz ist kein Vers aus der Bibel. Es ist eine Einladung.
Für dich. Für mich. Für heute.

 

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